Revival einer Architekturikone am Bahnhof Zürich Altstetten.
Beim Thema Baukultur geht es der SBB auch darum, bestehende Bausubstanz zu erhalten und zu pflegen. Oft handelt es sich bei Bahnhöfen oder betrieblichen Gebäuden um denkmalgeschützte Bauten. So zum Beispiel das Zentralstellwerk beim Zürich HB des legendären SBB-Architekten Max Vogt. Von ihm stammt auch das Mehrfamilienhaus am Bahnhof Altstetten, das nun saniert wurde.
Das 9-geschossige Mehrfamilienhaus nach einem Entwurf von Max Vogt ist im Inventar der schützenswerten Bauten enthalten. Es wurde 1968 als Wohnhaus für SBB-Angestellte gebaut. Die Laubengänge und Loggien sind vom Bahnlärm abgewendet. Auf dem Dach befanden sich Wasch- und Trockenräume, ein Garten sowie ein Spielplatz. Ein für die damalige Zeit revolutionäres Konzept.
1998 wurde die Fassade erstmals saniert, im Jahr 2017/2018 folgte die Umnutzung des gesamten Erdgeschosses. Mit der Erstellung einer Längsaussteifung im UG bis ins Zwischengeschoss (1. OG) wurden die Massnahmen für die Erdbebentauglichkeit bereits mit dieser Umnutzung getroffen. Im gleichen Zuge wurde damals ein neuer Liftschacht für die direkte Erschliessung der Laubengänge in den Obergeschossen erstellt.
Von 2021 bis Januar 2023 sind die 40 Wohnungen komplett saniert und die Haustechnik erneuert worden. Wir haben bei Lukas Auf der Maur von der Kantonalen Denkmalpflege Zürich nachgefragt, was dabei die grössten Herausforderungen waren.
Weshalb steht das Mehrfamilienhaus Altstetten im Inventar der kantonalen Denkmalpflege?
Das Bahnhofsgebäude, welchem durch seine Grösse und Fernwirkung eine hohe städtebauliche Bedeutung zukommt, ist ein herausragendes Beispiel der Schweizer Nachkriegsmoderne. Unter Mitarbeit und Leitung von Max Vogt entstanden bis 1989 mehr als hundert grössere und kleinere Bahnbauten, mit denen er die Architektur der SBB entscheidend mitprägte. Ihre Unverwechselbarkeit beruht auf der ausgewogenen Komposition kubischer Volumina und auf der sorgfältigen Betonoberflächenbearbeitung. All dies ist am Bahnhofsgebäude – einem frühen Bau und Schlüsselbau im Werk von Vogt – exemplarisch abzulesen.
Worauf musste bei der Sanierung aus Sicht der Denkmalpflege besonders geachtet werden?
Viele von Vogts Bauten wurden nachträglich verändert, gedämmt oder verkleidet. Beim Mehrfamilienhaus wurde bei der letzten Renovation in den 90er Jahren aber erfreulicherweise zugunsten der Architektur auf eine zusätzliche Aussendämmung verzichtet. Mit der Schutzversiegelung und den in einem Gelb- bzw. Blauton gestrichenen Loggien und Laubengänge anstelle der originalen Sichtbetonoberflächen veränderte sich jedoch die Wirkung des Gebäudes. Für den jetzigen Neuanstrich der Fassade wurden deshalb betonähnliche Grautönen gewählt, um sich dem ursprünglichen Erscheinungsbild mit den einheitlichen Sichtbetonoberflächen wieder anzunähern. Wichtig war hierzu, dass trotz Anstrich die Schalungsstruktur weiterhin erkennbar bleibt.
Das heisst, bei der Sanierung musste vor allem die originale Denkmalsubstanz wieder herausgeschält werden?
Ja, denn was weg ist, ist weg! Bei Baudenkmälern als materielle Erinnerungsträger hat immer die Erhaltung der originalen Denkmalsubstanz als nicht erneuerbare Ressource Vorrang. Sie macht die Authentizität der Denkmäler aus und ermöglicht es heutigen und hoffentlich auch künftigen Generationen das Baudenkmal zu erfahren sowie seine Schichten zu erkennen und zu interpretieren.
Auch bei der Sanierung des Mehrfamilienhauses wurde entsprechend auf die Substanzerhaltung Wert gelegt. Es wurde darauf geachtet, den Umfang und die Tiefe der Eingriffe möglichst klein, additiv sowie reversibel zu halten und die Reparatur dem Ersatz vorzuziehen. Aufgrund der Anzahl Wohnungen haben sich SBB und Denkmalpflege darauf geeinigt, bezüglich denkmalpflegerischer Ansprüche zwischen Musterwohnungen und Normwohnungen abzustufen.
Was ist mit Musterwohnungen genau gemeint?
Auf einem Geschoss angeordnet, dienen die Musterwohnungen als Referenz für den damaligen Innenausbau und sollen den Zeitgeist des Gebäudes wieder erlebbar machen. Bei der Renovation in den 90er Jahren ging einiges unter. In den Musterwohnungen wurde deshalb möglichst viel nach Vorbild der ursprünglichen Gestaltung, Materialität und Farbigkeit wiederhergestellt. Grundlage hierfür bildeten Befunde vor Ort sowie die noch vorhandenen bauzeitlichen Baupläne.