Zwischen Hochhäusern und Honig: Die Bienenvölker über den Dächern der Europaallee.
Mitten in der Zürcher Innenstadt, hoch oben auf dem Dach der Pädagogischen Hochschule, summt es seit 2016. Was wie ein Widerspruch klingen mag, ist Teil eines nachhaltigen Projekts. Gemeinsam mit den Stadtimker:innen von Wabe3 wurden als Zeichen für mehr Biodiversität im urbanen Raum Bienenvölker angesiedelt. Im Gespräch mit den Stadtimker:innen von Wabe3 erfahren wir mehr über Herausforderungen, Chancen und die leisen Zeichen einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Seit wann betreut ihr die Bienenvölker auf den Dächern der Europaallee und warum gerade dort?
Wir betreuen die Völker auf dem Dach der Pädagogischen Hochschule seit 2016. Die Idee kam von SBB Immobilien – aus dem Wunsch heraus, Bienen im urbanen Raum zu unterstützen und so die Natur mitten in die Stadt zu bringen. Die Europaallee bietet dafür einen besonderen Rahmen: ein Ort voller Gegensätze, geprägt von Urbanität, Bewegung und moderner Architektur. Gerade dieser Kontrast macht den Standort für uns so spannend. Hier treffen Stadt und Natur direkt aufeinander. Es ist schön zu sehen, wie gut das harmoniert.
Wie fühlt es sich an, mitten im Trubel der Zürcher Innenstadt ein Bienenvolk zu betreuen?
Es ist jedes Mal etwas Besonderes. Während unten das Stadtleben pulsiert, herrscht oben auf dem Dach eine fast meditative Ruhe.
Wie oft seid ihr denn vor Ort und was genau passiert bei einem Besuch?
Wir besuchen die Völker regelmässig – in der Hauptsaison etwa alle sieben bis zehn Tage. Wir kontrollieren das Brutverhalten, den Gesundheitszustand der Bienen, die Populationsentwicklung und den Honigeintrag. Dabei achten wir darauf, möglichst schonend vorzugehen und die Bienen nicht unnötig zu stören.
Was sind die grössten Herausforderungen und Chancen für Bienen in der Stadt – speziell an einem Standort wie der Europaallee?
Eine der grössten Herausforderungen für die Imkerei in der Stadt ist der begrenzte Platz, teure Mieten und der oft schwierige Zugang zu den Dächern. Für die Bienen bietet die Stadt hingegen viele Chancen: In Zürich haben wir eine enorme Vielfalt an blühenden Pflanzen, eine längere Blütezeit und keinen grossflächigen Einsatz von Pestiziden. So finden die Bienen ein optimales Nahrungsangebot und gute Lebensbedingungen.
Ihr sprecht von Biodiversität: Welche Rolle spielt die Honigbiene dabei überhaupt?
Die Honigbiene selbst ist keine bedrohte Art – aber sie wirkt als Türöffner. Viele Menschen kommen durch sie zum ersten Mal mit dem Thema Insektenvielfalt in Berührung. Unsere Kurse und Führungen helfen, Wissen und Sensibilität auch für Wildbienen und andere Bestäuber zu schaffen – und genau hier entsteht ein Beitrag zur Biodiversität.
Und wie kommen die Bienen eigentlich mit der Stadt zurecht? Verkehr, Hochhäuser, Menschenmengen – stört sie das?
Bienen sind erstaunlich anpassungsfähig. Hochhäuser oder Stadtlärm stören sie kaum – sie fliegen einfach darüber hinweg. Wichtig ist, dass sie Zugang zu genügend Nahrungsquellen haben. Und das klappt in Zürich oft besser, als viele denken.
Wie erlebt ihr die Zusammenarbeit mit SBB Immobilien und was braucht es, damit solche Projekte langfristig Wirkung zeigen?
Die Zusammenarbeit mit SBB Immobilien ist unkompliziert und auf Augenhöhe. Uns gefällt besonders, dass es nicht bei einem symbolischen Projekt bleibt: Neben den Honigbienen wurden auch Nistplätze für Wildbienen geschaffen. Genau das braucht es aus unserer Sicht – ein ganzheitlicher Ansatz, der über reine Symbolik hinausgeht. So wird Nachhaltigkeit sichtbar, erlebbar und schafft echten Mehrwert – auch in einem urbanen Umfeld wie der Europaallee.
Und wenn ihr nach vorn blickt: Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Stadtimkerei?
Wir wünschen uns weniger Fokus auf den Honigertrag und mehr Bewusstsein für die Bedeutung von Biodiversität und Artenvielfalt. Urban Beekeeping und die Honigbiene sollten kein Trend sein, sondern die Menschen langfristig dafür begeistern, dass Insektenschutz uns alle angeht – und wir das System umdenken müssen.
Wie können Unternehmen oder auch Passant:innen in der Stadt noch mehr für Bienen und die Biodiversität tun?
Schon kleine Massnahmen können viel bewirken: Blühpflanzen statt Schotterflächen, Nisthilfen für Wildbienen, weniger Pestizide im privaten Grün und ein bewussterer Konsum. Unternehmen können mit gut gestalteten Freiräumen, Workshops für Mitarbeitende oder Kooperationen ein starkes Zeichen setzen.
Gibt es noch etwas, das euch besonders am Herzen liegt?
Dass wir nicht nur Honig verkaufen. Wir erzählen Geschichten – über Achtsamkeit, Verantwortung und die Kraft kleiner Dinge. Und wir freuen uns über alle, die sich dafür begeistern lassen.